Inhalt aus dem Archiv der Mitteldeutschen Zeitung
Horst Brettschneider in einstiger Volkspolizisten-Uniform sorgte in Mügeln dafür, dass es rund läuft.
(BILD: H.-D. Kunze)
VON HANS-DIETER KUNZE
Mügeln/MZ. Die Resonanz war überwältigend: Mehr als 235 Besitzer ließen sich mit ihren historischen Gefährten in die Teilnehmerlisten schreiben. Über 1 000 Besucher zählten die
Veranstalter im Freizeitzentrum Mügeln. Organisiert hatten das alles die IFA-Freunde Jessen, ein eingetragener Verein mit 25 Mitgliedern und einem eigenen Bestand von 30 Fahrzeugen, vom Zweirad
über Pkw und Traktoren bis hin zu schweren Lkw.
Vorsitzender ist Mario Brettschneider. Auch er schickte seine fünf Veteranen ins Rennen, ließ sie von der Jury aus den Reihen des Clubs begutachten. Vor allem am Hauptveranstaltungstag, am
Sonnabend, riss der Fahrzeugstrom nicht ab. Platz genug war auf dem Areal am Badeteich. Die Oldie-Freunde schlugen Zelte auf oder campierten in Caravans und Wohnmobilen.
Die Jurymitglieder hatten gut zu tun, beäugten die Fahrzeuge, bückten sich oder machten lange Hälse, wenn ein gar zu wuchtiger Koloss vor ihnen parkte. Bewertet wurde in den Kategorien Moped,
Motorrad, Pkw, Nutzfahrzeuge, schönster Umbau, weiteste Anreise.
Da hatten Silke Lattmann und Tobias Baensch gute Karten. Mit einem „Wartburg 353 Tourist“ waren sie rund 500 Kilometer von Bad Wildungen im Waldecker Land (Hessen) nach Mügeln gereist. Ihr einst so heiß begehrter Pkw hat gerade ein Jubiläum: am 22. August vor einem Vierteljahrhundert wurde er erstmals zugelassen. Den Vorbesitzer, einen Leipziger, kennt Tobias Bensch persönlich: „Der hat das Auto 1973 beim IFA-Handel bestellt. Sehr schweren Herzens musste er sich nun von dem ,Tourist’ trennen, weil er in Leipzig in einer Umweltzone mit strengen Abgasregeln wohnt.“ Übers Internet wurde er auf den „Wartburg“ aufmerksam. Und weshalb erwirbt ein junger Westdeutscher ein altes DDR-Fahrzeug? Tobias klärte lachend auf: „Ich bin in Thüringen geboren und aufgewachsen, mein Vater war Zeit seines Lebens ein begeisterter Wartburg-Fahrer. Das hat wohl auf mich abgefärbt.“ Den Veteranen macht er aber nur zu besonderen Anlässen flott. Mügeln war so einer und es war die bisher längste Strecke. Doch er und seine Partnerin klangen voll zufrieden: „Der ist gelaufen wie eine Biene. Dazu dieser Zweitaktsound und der irre Duft nach blauem Dunst.“ Noch einen Vorteil sehen die beiden Bad Wildunger: „Wer dreht sich denn heute noch nach einem Porsche um. Nach dem Wartburg bei uns in der Heimat aber schon. Die meisten sind allerdings der Meinung, da fährt ein ’Trabi’“, amüsieren sie sich dann stets.
Rainer Paul kam mit Töchterchen Lilly von Prettin nach Mügeln. Seine „Nobelkarosse“, ein riesiger Lkw KrAZ, hat immer einen gewaltigen Durst. Für zwei Kilometer braucht der wuchtige Dreiachser russischer Bauart einen Liter Diesel. Im Gelände schluckt der Allrad getriebene Laster noch einiges mehr. Ein Relikt aus Zeiten eben, als es Kraftstoff noch beinahe für’n Appel und ’n Ei gab, bei den Russen sowieso. Obwohl der KrAZ nicht direkt aus Russland, sondern über die Ostsee mit einer Fähre aus Finnland nach Prettin kam. Jahrelang war er nämlich bei den finnischen Streitkräften im Einsatz, wusste Rainer Paul, ebenfalls Mitglied der IFA-Freunde, zu berichten. Lilly dagegen genoss die Fahrt mit dem Koloss. Doch das Ein- und Aussteigen schaffte sie nur mit Vatis Hilfe.
Von weiter unten blickte Arno auf die Technik-Welt. Er lag in den Armen seines Vaters Matthias Hahn im Seitenwagen eines MZ-ETZ-Gespanns. Arno ist zehn Monate alt und war wohl der jüngste Teilnehmer. Bald kann er der Nachwuchstruppe, den IFA-Knirpsen Jessen, beitreten. So wie Maya Brauske, die mit zweieinhalb Jahren stolz ein entsprechendes blaues T-Shirt mit Aufschrift trug.
Sylvia Hahn dagegen hielt das Lenkrad der ETZ fest und drehte gefühlvoll am Gasgriff der 1986 in Zschopau vom Band gelaufenen Maschine. Sie sind in Listerfehrda zu Hause. „Doch“, so Matthias Hahn lächelnd, „das Motorrad ist ein Re-Import aus dem Westen. Wir fahren gern damit durch die Gegend.“ Ersatzteile wären kein Problem, geschraubt an der Maschine wird mit der Frau gemeinsam.
Josef Feix aus Elster fuhr eine echte Rarität: einen LuAZ, Baujahr 1970. Er stammt aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR und war vor allem für den Transport von Verwundeten konzipiert. Alle Sitze, außer dem des Fahrers, können versenkt werden. Angetrieben wird der LuAZ von einem Pkw-Motor wie dem des „Saporoshez“. Das Besondere: Das Gefährt ist schwimmfähig. Der Antrieb im Wasser erfolgt aber nicht über eine Schraube, sondern die vier Räder verleihen die Schubkraft, ähnlich wie bei einem Elbe-Raddampfer. Auf diesen Fluss hat sich der Elsteraner aber noch nicht gewagt. Die starke Strömung könnte ihn abtreiben lassen.
Das mittlerweile vierte Ostmobile-Treffen war ein voller Erfolg, darin sind sich die IFA-Freunde Jessen einig. Zum vierten Mal hat das Wetter bestens mitgespielt. So konnten alle, sowohl Fahrer als auch Zuschauer am Wegesrand die Ausfahrt am Samstagnachmittag genießen. Es ging vom Freizeitzentrum über Schweinitz, Jessen, Elster, Gorsdorf-Hemsendorf und Grabo zurück nach Mügeln. Mit einem gemütlichen Abend, Fachgesprächen und vielen neuen Bekanntschaften klang das Treffen aus. „Ein ganz besonderes Dankeschön geht von den IFA-Freunden an alle Sponsoren. Ohne sie wäre so ein Treffen nicht machbar“, sagte Mario Brettschneider.