Inhalt aus dem Archiv der Mitteldeutschen Zeitung
Von Sven Gückel | 23.08.16, 19:04 Uhr
Auch wenn der Lack ihrer Maschine längst verblasst ist, die RT 125/2 von Michael Schulze und Kerstin Preuß aus Seegrehna ist ein Hingucker.
Foto: Gückel
Mügeln - Gehörten Trabant, Wartburg und Co. vor etwas mehr als zwanzig Jahren noch zum Standard des ostdeutschen Straßenbildes, so sind sie dort heute kaum noch anzutreffen. Um so deutlicher erfreuen sich Veranstaltungen wie das vom IFA-Freunde Jessen e.V. am Wochenende in Mügeln organisierte mittlerweile siebte Ostmobiletreffen zunehmend großer Beliebtheit.
Bevor es wieder auf Strecke geht, muss Michael Schulze an seiner RT 125/2 noch ein paar Handgriffe erledigen. Geschützt mit Handschuhen reinigt der Oldtimer-Fan aus Wittenberg-Seegrehna das Endstück des Auspuffs seiner Maschine mit einer Bürste. Was eher einem liebevollen Streicheln gleicht.
Gut gepflegte Fahrzeuge waren immer dicht umringt und weckten beim Ostmobiletreffen in Mügeln stets das Besucherinteresse.
Foto: Gückel
Immerhin ist der Oldie seit 1959 im Familienbesitz. „Mein Großvater war der Erstbesitzer. Später ruhte das gute Stück 30 Jahre im Schuppen. Vor drei Jahren habe ich mir ein Herz gefasst und die Dame wieder flott gemacht“, berichtet er. Entgegen der Auffassung anderer Fahrzeugbesitzer legt der Wittenberger wenig Wert auf Glanz und Lack. Die Lackierung seiner RT ist noch immer die erste, kleinere Roststellen gehören für ihn wie selbstverständlich dazu und er betont: „Man darf der Maschine ihr Alter ruhig ansehen.“
Hierin unterscheidet er sich wesentlich von Reinhard Schöne. Auch der hatte sich das vergangene Wochenende im Kalender notiert und war mit seinem Trabant Cabrio vom sächsischen Freital zum siebten Ostfahrzeuge-Treffen der IFA-Freunde Jessen gekommen. Belohnt wurde der mittlerweile pensionierte Kfz-Schlosser dafür mit einem Pokal für den „Schönsten Umbau eines Fahrzeugs“. Der froschgrün lackierte Trabant ist wahrlich ein Hingucker.
Liebevoll gepflegt und farblich abgestimmt bis zur Polsterung der Sitze ist er letztlich aber kaum noch ein DDR-Produkt, eher ein Fabrikat der deutschen Einheit. „Unter seiner Motorhaube schlummert ein VW-Motor“, bekennt der Sachse. Doch darauf kam es der Jury nicht an, denn rein äußerlich ist und bleibt das Auto ein Trabant - und ein schöner obendrein.
Das Treffen ostdeutscher Fahrzeuge in Mügeln ist nur ein Aspekt, durch den sich der IFA-Freunde Jessen e.V. auszeichnet. Neben der Restauration der Alttechnik unternehmen die 40 Vereinsmitglieder im Frühjahr und Sommer gemeinsame Ausfahrten zu anderen Fahrzeugtreffen oder sie reihen sich auf Anfrage in Umzüge bei regionalen und überregionalen Festivitäten ein. Am kommenden Wochenende sind die Jessener in Klöden anzutreffen, wo sie ein altes Feuerwehrfahrzeug ausstellen, das einst der Wehr Klöden diente, heute aber im Besitz der IFA-Freunde ist. (mz/sgü)
600 Fahrzeuge unterschiedlichster Fabrikate, darunter auch Mopeds und Lkw, rollten auf dem Gelände des Badesees Mügeln am Wochenende ein. „Hier ist alles vertreten, was dereinst auf ostdeutschen Straßen unterwegs war“, freute sich IFA-Freunde-Jessen-Chef Mario Brettschneider.
Angesichts einer zweiten Großveranstaltung dieser Art in Thüringen hatten die Jessener befürchtet, weniger Teilnehmer und Besucher als in den Vorjahren verzeichnen zu müssen. Doch dem war nicht so. Während die Zahl der Fahrzeuge annähernd gleich blieb, wies die Gesamtbesucherzahl mit 1400 einen neuen Rekord auf. Die Vereinsmitglieder aus Jessen, erkennbar an einheitlich blauen T-Shirts, hatten damit alle Hände voll zu tun.
Verpflegung, Musik und Stellplätze galt es sicher zustellen, ebenso einen Wettbewerb, bei dem die jeweils drei besten Modelle der Kategorien Pkw, Lkw und Moped prämiert wurden.
Unterstützung erfuhren die hiesigen IFA-Freunde neben anderen von der Feuerwehr Mügeln und dem THW aus Luckenwalde. Dieses rückte am späten Samstagnachmittag auf der Freifläche an, um einen Lichtmast zur Ausleuchtung des Areals aufzustellen.
Längst haben Modelle wie Trabant, Barkas und Schwalbe den Einzug in die heiligen Hallen der Oldies geschafft. Liebhaber dieser Fahrzeuge finden sich heute deutschlandweit. Am ausgeprägtesten ist die Leidenschaft für sie aber immer noch im Osten der Republik. Trabant-Kübel, Robur und W 50, mehrere Mopeds und Motorräder - auch der Besitzstand von Mario Brettschneider weist eine stattliche Anzahl Fahrzeuge auf.
Warum er sein Herz diesen Modellen und keinem neuwertigen schenkt, kann Brettschneider nur schwer erklären. „Diese Fahrzeuge vermitteln ein seltsames Feeling, das sich nur schwer in Worte fassen lässt“, sagt er. Andererseits sei es die Nostalgik, die ihn fasziniert. „Ich brauche kein Radio im Auto. Für den Sound sorgt der Motor“, fügt der Jessener an und erwähnt ganz nebenbei, dass schon seine fünfjährige Tochter Maya von diesem Hobby infiziert sei.
Zweitakter haben die Eigenschaft, mitunter etwas qualmend über die Straße zu streifen. Verfluchte man sie dafür früher noch, so billigt man das den Fahrzeugen heute gern zu. Qualmend und mitunter leicht knatternd zogen Autos und Mopeds am Sonntag wieder von dannen, um liebevoll gepflegt im kommenden August erneut nach Mügeln zu rollen. (mz)